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Feierliche Wieder-Einweihung: „Dieses Mahnmal wird gebraucht - heute mehr denn je!“

MÜNCHEN / DACHAU - 18. Oktober 2022 – Mit einer Veranstaltung würdigten die Stiftung Bayerische Gedenkstätten und die KZ-Gedenkstätte Dachau heute gemeinsam mit allen beteiligten Partnern die Fertigstellung der umfangreichen Sanierung und Restaurierung des Internationalen Mahnmals. Karl Freller, Direktor der Stiftung, betonte in seiner Rede die moralische Strahlkraft des weltweit bekannten Denkmals vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Geschehnisse.

Die Sanierung der berühmten Bronzeplastik, Menschen im Stacheldraht - zentrales Element des Internationalen Mahnmals von Nandor Glid (1924 - 1997) aus dem Jahre 1968 - begann im März 2019 und konnte im August 2022 erfolgreich abgeschlossen werden. Das Leid der Häftlinge war Hauptthema im Leben und Schaffen des jüdischen Künstlers Glid, der selbst wegen seiner Religion und seines Einsatzes im politischen Widerstand von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und in einem ungarischen Lager Zwangsarbeit verrichten musste.

Stiftungsdirektor Freller erinnerte in seiner Rede an die vielen Häftlinge, die im KZ Dachau ihr Leben verloren haben. Beispielhaft ging er auf die acht von den Tätern dokumentierten Menschen ein, die am elektrischen Zaun des Lagers starben. Das in der Bronzeskulptur verdichtet dargestellte Leid biete dem Betrachter auch heute noch einen unmittelbaren emotionalen Zugang, so Freller. Nicht umsonst stehe die gleiche Statue, nur in etwas kleinerem Format, auch in Yad Vashem in Israel. Die moralische Strahlkraft des Werkes sei deshalb enorm: „Dieses Mahnmal wird gebraucht – heute vielleicht mehr denn je zuvor“.

Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte, Dr. Gabriele Hammermann, gab die historische Einführung zum Werk. Abba Naor, einer der letzten Zeitzeugen und ein Überlebender des KZ Dachau, sprach in seiner Funktion als Vizepräsident des Comité International de Dachau (CID). Stiftungsratsvorsitzender und Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, Prof. Dr. Michael Piazolo, hob in seiner Rede die besondere Pflicht der Politik hervor, Gedenk- und Lernorte – insbesondere für die Jugend – zu erhalten und stetig weiterzuentwickeln. Im Anschluss folgte die gemeinsame Projektpräsentation. Der sehr komplexe und herausfordernde Prozess wurde in enger fachlicher Abstimmung zwischen der Metallrestaurierungsfirma Haber & Brandner mit dem Staatlichem Bauamt Freising, dem Büro Kayser + Böttges | Barthel + Maus Ingenieure und Architekten GmbH sowie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege durchgeführt.

Über die Sanierung der Bronzeskulptur des Internationalen Mahnmals

Als bei einer Bestandssichtung an einer der oberen Figuren des monumentalen Bronzedenkmals im Jahr 2019 ein großer Riss entdeckt wurde, veranlasste das Staatliche Bauamt Freising eine sofortige Absicherung sowie eine detaillierte Untersuchung des Schadensbilds. Dazu gehörte auch ein hochauflösender 3-D-Laserscan der Bronzeplastik, der die Grundlage für die Bestandsdokumentation und spätere Restaurierungsmaßnahmen bildete. Parallel dazu untersuchten Metallrestauratoren und Statiker die ineinander verschränkten Figuren und die Pfosten auf weitere Schäden und Rissbildungen. Ergänzend nahm das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege Materialuntersuchungen vor, die erste Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Bronzelegierung gaben. Aus den Ergebnissen aller Untersuchungen wurde daraufhin ein umfassendes Restaurierungskonzept erarbeitet. Eine besondere Herausforderung bildete die sehr inhomogene Zusammensetzung der Bronzelegierung der Skulptur, die eine aufwendige Materialfindung und -prüfung erforderlich machte.

Filigrane Detailarbeiten

Nach statischen Kriterien in verschiedene Kategorien eingeordnet, wurden die Schäden mit unterschiedlichen Techniken bearbeitet. Bei den großen Rissbildungen wurden beispielsweise die Bronzehaut geöffnet und darunter Stabilisierungselemente eingebaut, die anschließend mit den Stahlträgern in den Pfeilern verbunden wurden. Wegen der komplexen Geometrie dieser Einbauten kamen vorab gefertigte und probeweise eingebaute Holzschablonen zum Einsatz. Danach konnten die Bronze-„Inlays“ zunächst in der Restaurierungswerkstatt fertiggestellt, dann in die Skulptur eingebaut und schließlich verschweißt werden. Damit die bearbeiteten Bronzeoberflächen wieder exakt an die Originaloberfläche angeglichen werden konnten, wurden diese geöffneten Bereiche vorher mit Silikon abgeformt. Im letzten Arbeitsschritt schließlich erfolgte eine Patinierung der restaurierten Bereiche, um ein optisch geschlossenes Gesamtbild der Bronzeplastik zu erreichen.

Eine völlig neue Herangehensweise

Die einzigartige Beschaffenheit der Skulptur und der verwendeten Bronzelegierung, die eine sehr heterogene Zusammensetzung aufweist, erforderten völlig neue Herangehensweisen, um eine professionelle und nachhaltige Sanierung zu gewährleisten. Auf Basis eines speziell dafür erstellten Restaurierungskonzepts gelang es den Beteiligten, das Denkmal behutsam und ohne Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbilds instand zu setzen und so auch weiterhin als zentralen Ort des internationalen Gedenkens und Erinnerns an die Opfer des Nationalsozialismus zu erhalten. Die Restaurierung markiert auch den Beginn einer umfassenden Sanierung und Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Dachau, die mit dem nächsten Schritt – der Umgestaltung und Instandsetzung der rekonstruierten Baracken – in den kommenden Jahren ihre Fortsetzung finden soll.

Über das Internationale Mahnmal

Ursprünglich eingeweiht am 8. September 1968, hat sich das Internationale Mahnmal von Nandor Glid seitdem zu dem zentralen Gedenkort in der KZ-Gedenkstätte Dachau sowie zu einem international sichtbaren Symbol der Erinnerungskultur entwickelt. Es wird als künstlerischer Ausdruck vom Leid und der Stärke der im Nationalsozialismus verfolgten und inhaftierten Menschen verstanden.

Im Comité International de Dachau (CID), dem internationalen Häftlingskomitee, gab es bereits früh nach der Befreiung Bemühungen, eine Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Häftlingslagers zu errichten. Ein Internationales Mahnmal sollte an das Leid der im KZ Dachau inhaftierten Menschen erinnern. Im September 1956 erfolgte deshalb die Grundsteinlegung für ein solches Mahnmal durch das CID auf dem ehemaligen Appellplatz – nur einen Tag, nachdem das Comité einen Wettbewerb zu dessen Errichtung ausgelobt hatte. Im Januar 1959 wurde der Wettbewerb in Zusammenarbeit mit der Internationalen Architekturunion mit erweiterter Zulassung erneut ausgeschrieben. Nun konnten alle Menschen, die gegen das NS-Regime Widerstand geleistet haben, einen Beitrag einreichen. Vormals war der Personenkreis auf die Überlebenden des KZ Dachau begrenzt gewesen.

Im November 1959 wählte die Jury des Wettbewerbs sechs Entwürfe aus allen eingereichten Entwürfen aus, empfahl jedoch keinen zur Umsetzung. Daraufhin beschloss das CID im März 1960, einen zweiten Wettbewerb durchzuführen. Diesen konnte schließlich im Januar 1965 der jugoslawische Künstler und Bildhauer Nandor Glid für sich entscheiden – sein Entwurf der Bronzeskulptur, die Menschen im Stacheldraht darstellt und sowohl das große Leid als auch den Überlebenswillen und die starke Gemeinschaft der ehemaligen Häftlinge symbolisiert, konnte die Jury überzeugen. Im September 1968 schließlich wurde das Internationale Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Dachau eingeweiht. Bis heute steht das Internationale Mahnmal im Zentrum des Gedenkens und Erinnerns an die Opfer und Inhaftierten des ehemaligen KZ Dachau.

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Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau / Paulina Wulff

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Dr.Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte; Abba Naor, Vizepräsident des CID;  Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo, Fotos: KZ-Gedenkstätte Dachau / Guido Hassel
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Andreas Kronthaler, Leiter des Staatlichen Bauamts Freising und Kerstin Brendel, Landesamt für Denkmalpflege, Fotos: KZ-Gedenkstätte Dachau / Guido Hassel
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Shimon Mahnke, Haber&Brandner Metallrestaurierung; Mark Böttges, Kayser+Böttges | Barthel + Maus Ingenieure und Architekten GmbH;   Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau / Guido Hassel
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Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau / Paulina Wulff

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Stiftungsdirektor Karl Freller und Abba Naor am Mahnmal Foto: KZ-Gedenkstätte Dachau / Guido Hassel