„Weg des Erinnerns“ in Markt Indersdorf unter Teilnahme der Stiftung feierlich begangen

Karl Freller, Direktor Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, hielt an der Wegstation „Wasserturm“ eine Rede und formulierte die große Bedeutung des neuen „Wegs des Erinnerns“ in Markt Indersdorf: „Er macht diese Schickale nicht nur wieder sichtbar, sondern er macht sie zu einem festen Bestandteil unserer Erinnerungskultur, zu einem Teil unserer eigenen Geschichte.“

Am Sonntag, dem 12. September 2021, wurde der „Weg des Erinnerns“ in Markt Indersdorf in Oberbayern mit seinen fünf Stationen des Gedenkens feierlich eingeweiht. Etwa 200 Personen folgten bei gutem Wetter der Einladung von Kuratorin Anna Andlauer vom Heimatverein Indersdorf. Der öffentlich zugängliche Wanderweg führt nun an fünf Tafeln vorbei, die in Wort und Bild an die NS- und die unmittelbare Nachkriegszeit erinnern. QR-Codes auf den Tafeln laden den Betrachter zu weiterführenden Online-Informationen, Zeitzeugeninterviews und Filmsequenzen ein.

Verbrechen an Kindern von Zwangsarbeiterinnen

Im letzten Kriegsjahr 1944/45 stand hinter dem Kloster Indersdorf ein sogenanntes „Ostarbeiter-Kinderheim“ für Kinder osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen. Die meist polnischen oder ukrainischen Mütter waren durch das NS-Regime gezwungen, auf Bauernhöfen und in kleineren Betrieben der Umgebung zu arbeiten und ihre Neugeborenen in dieser Baracke abzuliefern. Durch systematische Vernachlässigung sind dort mindestens 32 Kleinkinder qualvoll zugrunde gegangen. Der „Weg des Erinnerns“ führt entlang der Klostermauer bis zum historischen Bezirksfriedhof, wo diese Kinder beerdigt sind.

Gedenktafeln, die Erinnerung lebendig halten

Am ehemaligen Ort der Kinderbaracke (Wasserturmweg) erinnert jetzt eine Gedenktafel an diese jüngsten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Markt Indersdorf. Weitere Informationstafeln informieren über die Nachkriegszeit, als Überlebende der Kinderbaracke zusammen mit Hunderten junger DPs, KZ-Überlebenden und ehemaligen Zwangsarbeitern im Kloster Indersdorf vorübergehend Zuflucht fanden und von der UN-Flüchtlingsorganisation UNRRA und dem Orden der Barmherzigen Schwestern betreut wurden.

Fünf Stationen fürs Gedenken

Zu den fünf Stationen entlang des Weges hatte Kuratorin Anna Andlauer vom Heimatverein Indersdorf am Sonntag, den 12. September verschiedene Redner und Rednerinnen eingeladen, die die Bedeutung des betreffenden Ortes in den jeweiligen geschichtlichen Kontext stellten. Die Zeitzeugin Zofia Ogłaza, geb. Karpuk, deren Schicksal als Kind einer Zwangsarbeiterin auf einer der Tafeln dargestellt ist, reiste für die Einweihung zusammen mit ihrer Familie aus Polen an.

An Station 1: „Erinnerung an 35 Kleinkinder, Opfer des Nationalsozialismus“ eröffnete Franz Obesser, 1. Bürgermeister Markt Markt Indersdorf, die Veranstaltung. Ein Grußwort des Bundespräsidenten wurde verlesen und der Weg durch Diakon Raimund Richter gesegnet. Sängerin Corinna Barth und das Schönbrunner Bläserensemble sorgten für die musikalische Untermalung der gesamten Veranstaltung. An jeder Station wurden Gedichte des Dachauer Lyrikers und Erzählers Michael Groißmeier vorgetragen. An der Station 2: „Vereinte Nationen im Kloster“ sprach Bezirkstagspräsident Josef Mederer, an Station 3: „Wasserturm – Treffpunkt der Jugend“ der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller: „Der neue „Weg des Erinnerns“ macht diese Schicksale nicht nur wieder sichtbar, sondern er macht sie zu einem festen Bestandteil unserer Erinnerungskultur, zu einem Teil unserer eigenen Geschichte. Er beleuchtet aber nicht nur die Verbrechen und das Leid. Er zeigt auch ein Markt Indersdorf, das für viele meist jüdische Kinder und Jugendliche nach ihrer Befreiung aus Konzentrationslagern ein Ort des Neubeginns, ein Ort des Sieges über die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten war.“ Der Wasserturm war nach dem Krieg zum privaten Treffpunkt junger DPs geworden. An Station 4 „Für eine Zeit Indersdorfer“ erinnerten Landrat Stefan Löwl sowie die Überlebende Zofia Ogłaza an die Zeit im Kloster Indersdorf, das für Hunderte Überlebender zu einem Zufluchtsort geworden war. An der letzten Station 5, dem Friedhof, sprachen Staatsminister Dr. Florian Herrmann sowie Vertreter des Generalkonsulats der Republik Polen und der Ukraine. An den Erinnerungssäulen zum Gedenken an die jüngsten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Markt Indersdorf wurden „Sternenblumen“ ins Wasser gegeben, um die Namen der verstorbenen Kleinkinder zu entfalten. Abschließend betete Diakon Richter ein Vaterunser.