„München liest aus verbrannten Büchern“

Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten beteiligt sich bei der Aktion mit einer Lesung aus den letzten Aufzeichnungen und Aufrufen des jüdischen Autors Stefan Zweig - Heute, am Freitag, den 10. Mai 2024, findet auf dem Königsplatz vor der Antikensammlung in München wieder die alljährliche öffentliche Lesung „verbrannter Bücher“ statt. Organisator ist der bekannte Aktionskünstler Wolfram P. Kastner, der seit 1995 mit einem Brandfleck auf dem Rasen und einer Lesung an die Bücherverbrennung des Jahres 1933 dort erinnert. Für die Stiftung Bayerische Gedenkstätten liest in diesem Jahr Alexandra Perry, Leiterin Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit, um 13.25 Uhr aus Stefan Zweigs „Die Kunst, ohne Sorgen zu leben“.

Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) war einer der populärsten deutschsprachigen Autoren und Erzähler seiner Zeit. Zweig war einer der jüdischen Schriftsteller, die vor 1933 Werke veröffentlichten, die heute noch bekannt sind. Als erfolgreicher und wohlhabender jüdischer Autor war er den Nationalsozialisten schnell verhasst. Zweigs Bücher standen daher schon früh auf der sogenannten ‘schwarzen Liste‘.

Bald nach der Machtergreifung war Zweig in seiner Heimat Österreich nicht mehr sicher. Er emigrierte im Februar 1934 nach London und nahm die britische Staatsbürgerschaft an. Diese ermöglichte ihm die Emigration nach Amerika und von dort nach Brasilien, wo er am 23. Februar 1942 Selbstmord beging. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die „Schachnovelle“, „Sternstunden der Menschheit“ und „Marie Antoinette“.

„Die Kunst, ohne Sorgen zu leben. Letzte Aufzeichnungen und Aufrufe“

Gelesen wird ein Text aus „Die Kunst, ohne Sorgen zu leben. Letzte Aufzeichnungen und Aufrufe“. Die im Buch enthaltenen Texte sind in den letzten beiden Lebensjahren von Stefan Zweig erschienen bzw. aus seinem Nachlass. Sein politischer Appell „Das große Schweigen“, aus dem vorgetragen wird, war sein formulierter Warnruf an Europa: gegen Hitler und vor einer nahenden Katastrophe. Er wurde am 4. Mai 1940 in der Wochenschrift „Das Neue Tage-Buch“ in Paris veröffentlicht: „Ich glaube, dass die erste Pflicht aller, die die Freiheit des Redens haben, heute die ist, im Namen der Millionen und Abermillionen zu sprechen, die es selber nicht mehr können, weil dieses unentwendbare Recht ihnen entwendet worden ist.“ (Stefan Zweig, „Das große Schweigen“ aus „Die Kunst, ohne Sorgen zu leben - Letzte Aufzeichnungen und Aufrufe“, Insel-Bücherei Nr. 1524, Insel Verlag, 2023)

Die „schwarzen Liste“ und ihre Folgen

Die Werke verbotenen Autorinnen und Autoren wurden während der Nazi-Diktatur anhand der sogenannten ‚schwarzen Liste‘ von Universitätsbibliotheken, Leihbüchereien und Buchhandlungen ausgesondert. Die entsprechenden Bücher wurden dann in öffentlich inszenierten Verbrennungen „wider den undeutschen Geist“ vernichtet. Am 10. Mai 1933 fanden gleichzeitig an 18 Universitätsstandorten Bücherverbrennungen statt.

München organisierte an diesem Tag gegen das angeblich „volkszersetzende Schrifttum“ eine pompöse Veranstaltung im Lichthof der Münchner Universität. Nach einem nächtlichen Fackelzug durch die Stadt wurde auf dem Königsplatz der Verbrennungsakt inszeniert, die Bücher der „Reichsfeinde“ auf einen Scheiterhaufen geworfen. Nur wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten beteiligten sich freiwillig tausende Münchnerinnen und Münchner an dieser Bücherverbrennung, die von Studierenden der Münchner Universitäten und dem Rektor der LMU organisiert war.

 Verbrannt wurden Bücher von Autorinnen und Autoren wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Irmgard Keun, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Erich Maria Remarque, Joseph Roth, Anna Seghers, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig und eben Stefan Zweig. Anders als die Werke dieser Autoren sind viele der damals verbrannten Bücher bis heute weitgehend unbekannt.

„Damit kein Gras über die Geschichte wächst“

„Damit kein Gras über die Geschichte wächst“, organisiert der bekannte Aktions­künstler Wolfram P. Kastner seit 1995 eine öffentliche Lesung, bei der er stets mit einem Brandfleck auf dem Rasen an die Bücherverbrennungen des Jahres 1933 auf dem Königsplatz in München erinnert. Die diesjährige Lesung hat zum Motto ein Zitat der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, deren Bücher ebenfalls verbrannt wurden: „Die Waffen nieder!“ Der Oberbürgermeister der Stadt München, Dieter Reiter, hat die Schirmherrschaft über die Veranstaltung und liest selbst. Die Veranstaltung beginnt um 10:00 Uhr mit der Kunstaktion “Brandfleck”. Zwischen 11 und 18 Uhr finden durchgehend Lesungen aus Büchern statt, die 1933 verbrannt wurden. Für die Stiftung Bayerische Gedenkstätten liest Alexandra Perry um 13:25 Uhr.